Gesetze

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - "Verfassung"
Die rechtliche und politische Grundordnung der BRD

Artikel 1 GG - Schutz der Menschenwürde

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

Artikel 2 GG - Freiheit der Person
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich.

Artikel 3 GG - Gleichheit vor dem Gesetz
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

"Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden." Dieser Satz wurde 1994 in Artikel 3 Absatz 3 Grundgesetz aufgenommen. Leider ist die Umsetzung noch immer fragwürdig.

Hierzu eine Anmerkung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 10. Oktober 2014 - 1 BvR 856/13):
Das Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG erschöpft sich nicht in der Anordnung, Menschen mit und ohne Behinderung rechtlich gleich zu behandeln. Vielmehr kann eine Benachteiligung auch vorliegen, wenn die Lebenssituation von Menschen mit Behinderung im Vergleich zu derjenigen nicht behinderter Menschen durch gesetzliche Regelungen verschlechtert wird, die ihnen Entfaltungs- und Betätigungsmöglichkeiten vorenthalten, welche anderen offenstehen.

UN-Behinderten­rechts­konvention - Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen

Artikel 1 - Zweck

Zweck dieses Übereinkommens ist es, den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten und die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern.

Deutschland hat die UN-Behindertenrechtskonvention mit dem Zusatzprotokoll am 30. März 2007 gezeichnet und am 24. Februar 2009 ratifiziert. Leider ist die Durchführung, beginnend bei der offiziellen Übersetzung, mangelhaft. Hier ein Verweis auf die "Schattenübersetzung", d.h. die verbesserte Übersetzung des "NETZWERK ARTIKEL 3":
UN-Behindertenrechtskonvention, Schattenübersetzung

Navi

Politik: Pflege - Realität

Die Zustände in fast allen deutschen Pflegeheimen sind verfassungswidrig.
In der ambulanten Pflege sieht es oft ähnlich aus.
Diese Problematik ist seit Jahrzehnten bekannt.

In politischen Diskussionen wird immer wieder behauptet, die Finanzierung ausreichender Pflege sei zu teuer und nicht möglich. Was dürfen Menschenrechte in Deutschland kosten?

Benötigt wird Arbeitskraft - die aber ist in der BRD mehr als reichlich vorhanden. Nach Berechnungen von FOCUS Online auf Grundlage von Daten der Bundesagentur für Arbeit waren 2009 5,3 Millionen Menschen arbeitslos, rund 1,8 Millionen mehr als offiziell ausgewiesen. Für mehr Persönliche Assistenz wären nur die vergleichsweise geringen Mehrkosten zur Arbeitslosen-Finanzierung zu bezahlen.
Die Finanzierung des Arbeitgebermodells beinhaltet Arbeitnehmerkosten und minimalen Verwaltungsaufwand, es müssen weder Unternehmensgewinne noch hohe Sachkosten für die Einrichtung der Arbeitsplätze aufgebracht werden. Bei genauer volkswirtschaftlicher Betrachtung (beispielsweise bewirkt weniger Arbeitslosigkeit bei fairer Entlohnung eine geringere Kriminalitätsrate) könnte sich durchaus herausstellen, dass hier trotz verfassungsgemäßer Versorgung überhaupt keine zusätzlichen staatlichen Ausgaben entstehen.

Die teilweise katastrophale Unterversorgung Pflegeabhängiger - trotz im Übermaß vorhandener Arbeitskraft - ist eine politische Fehlsteuerung. In Deutschland ist es auch 2016 noch immer schwierig, gerade junge Menschen für Pflegeberufen zu begeistern.
Der Arbeit im Pflegebereich kommen meist weder die angemessene gesellschaftliche Wertschätzung noch eine faire Entlohnung zu. Medienberichte über unhaltbare Zustände in Pflegeheimen und bei Pflegediensten sind keine Werbung für Arbeitsplätze. Auch bei der Gestaltung der Arbeitszeiten wird oft aus rein organisatorischen Gründen wenig Rücksicht auf die Lebensgestaltung von Pfleger/innen und den zu Pflegenden genommen.

Die selbst gestaltete Persönliche Assistenz bietet bessere Möglichkeiten.

Navi

Politik: Zitate

Behinderung ist ein Machtverteilungsproblem, ein politisches Problem. Aber die Vorstellung, dass wir einer unterdrückten politischen Minderheit angehören, ist noch recht wenig verbreitet - am wenigstens bei uns selbst. Der Grund dafür ist, dass Behinderung in den Augen der meisten ein medizinisches Problem ist.
Dr. Adolf Ratzka: Aufstand der Betreuten

Eine rigide Personalpolitik macht aus Pflegeheimen marktgängige Wirtschaftsunternehmen und gleichzeitig aus überlasteten Pflegerinnen und Pflegern Opfer und Täter.
(...) Es liegen uns Berichte von Pflegekräften vor, die besagen, dass sie in der Nacht für über 80 schwer pflegebedürftige Menschen allein zuständig sind, andere sogar für über hundert Menschen. Die damit Belasteten beschreiben diese Arbeitsbedingungen wohl zutreffend als kriminell. "Eigentlich darf ich meinen Dienst unter diesen Bedingungen gar nicht antreten."
(...) Seit über zehn Jahren ist bekannt, dass circa 80 Prozent der Pflegekräfte nach fünf Jahren den Beruf aufgeben. Hoch motivierte Pflegeschülerinnen und Pflegeschüler hören bereits in der Ausbildung auf. Die Arbeitsbedingungen in der Pflege sind Resultat von politisch geschaffenen Rahmenstrukturen der Versorgung alter und pflegebedürftiger Menschen.
Kurzfassung Vortrag Sozialmedizinisches Expertenforum / Pflege-Qualitätssicherungsgesetz, 2000

Artikel 1 GG - Schutz der Menschenwürde
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

Die Würde ist antastbar: In einer Behinderten- oder Pflegeanstalt kann die Menschenwürde nicht gewahrt werden. Dazu fehlt es nicht nur an Personal, auch die Strukturen erlauben nicht, dass auf die Würde des Menschen Rücksicht genommen wird. Jeder Insasse wird von der- oder demjenigen ge- und verpflegt, die oder der gerade Zeit hat oder auf dem Dienstplan steht. Auf persönliche Befindlichkeiten, insbesondere auch dem Wunsch nach gleichgeschlechtlicher Pflege, wird selten Rücksicht genommen.
§ 3a BSHG - Vorrang der offenen Hilfe
Die erforderliche Hilfe ist soweit wie möglich außerhalb von Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen zu gewähren.
Dies gilt nicht, wenn eine geeignete stationäre Hilfe zumutbar und eine ambulante Hilfe mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist. Bei der Prüfung der Zumutbarkeit sind die persönlichen, familiären und örtlichen Umstände angemessen zu berücksichtigen.(...)

Wer diesen Vergleich anstellt, muss wissen, dass für Insassen einer Behindertenanstalt eine Vielzahl von Verfassungsrechten zumindest teilweise außer Kraft gesetzt wurden. Nur dadurch ist es möglich, dass eine Behinderten- und Pflegeanstalt auf den ersten Blick preislich mit einer ambulanter Versorgung oder der persönlichen, selbstbestimmten Assistenz durch das Arbeitgebermodell konkurrieren kann.
rollidriver.de Navi

In diesem Zusammenhang möchte ich auf die gefährliche Falle der Kostenvergleiche hinweisen, in die sich viele von uns manövrieren lassen. Sollen wir nur dann für unsere Bürgerrechte kämpfen, wenn damit nachweislich Steuergelder gespart werden können und somit mehr Mittel für Rüstung, umweltfeindliche Produktion und andere behinderungsfördernde Maßnahmen übrigbleiben? Die logische Folgerung des Kostenvergleichs ist, uns kostengünstig zu vergasen. Wenn wir uns also nicht unser eigenes Grab schaufeln wollen, müssen wir Kostenvergleiche als irrelevante Kriterien ablehnen und statt dessen unsere Menschen- und Bürgerrechte fordern.
Adolf Ratzka, Institute on Independent Living: Abschied vom Heim

Gleichzeitig erfüllen die Sozialämter nicht ihren gesetzlichen Auftrag, die behinderten Menschen ausführlich zu beraten. Allein schon aus Personalknappheit und Arbeitsüberlastung der Sachbearbeiter/innen ist eine Verbesserung der Beratung durch die Sozialämter nicht zu erwarten. Nicht selten werden die behinderten Menschen oder ihre Angehörigen aber dort auch - mehr oder weniger bewußt - falsch beraten. Können die Kostenträger doch so auf einfache und elegante Art Geld sparen.
Autonom Leben (Behinderten-Initiative Hamburg): Informationen zu Ethik, Politik, Kultur, 2002

Leider kennen selbst Sozialarbeiterinnen in den Rehabiltationseinrichtungen nicht immer alle Alternativen. Kostenträger wie Sozialämter informieren in der Regel ausschließlich unter dem Kostenaspekt. Das heißt, nicht die geeignetste Möglichkeit der Assistenznahme wird empfohlen sondern die billigste.
Elke Bartz, Workshop 6.2.1998 in Bratislava

Es gibt heute kaum jemanden in Schweden, der die Rückkehr der Einrichtungen fordern würde. Ein Grund dafür ist vermutlich, dass Schweden - im Gegensatz zu Deutschland - keine Wohlfahrtsindustrie hat - also private Träger mit starker Lobby und guten politischen Kontakten, die schon immer Heime betrieben haben, deren Organisationsstruktur nur langsame und geringe Veränderungen erlaubt und die wenig wirtschaftliches Interesse daran haben, in ihrer Öffentlichkeitsarbeit Menschen mit Behinderung als fähige Bürger darzustellen, die voll im Stande sind, in der Gesellschaft, wie andere Menschen, selbstbestimmt zu leben und zu arbeiten.
Schweden ist ein Land mit großen wirtschaftlichen Problemen (...). Gemessen an der Kaufkraft des Durchschnittsbürgers befindet sich Schweden an 17. Stelle in der Welt, weit hinter Deutschland. (...) Das schwedische Beispiel zeigt, dass ein Land nicht reich sein muss, um seinen behinderten Bürgern einigermaßen ausreichende persönliche Assistenz zu ermöglichen.
Adolf Ratzka, Institute on Independent Living: Schwedische Assistenzreform, Podiumsdiskussion, 2002 Navi

Wenn davon die Rede ist, daß die Ausstattung mit ambulanten Pflegediensten flächendeckend sei, so bedeutet das in keinem Fall, daß sie bedarfsdeckend wäre.
(...)
Ein "soziales Pflichtjahr" mag unter Kosten-Gesichtspunkten verlockend sein, es ist aber praktisch sinnlos.
Hannes Heiler: Selbsthilfe, Heft 2-3/91, S. 40 ff

Die Dramatik, welche sich aus der einseitigen Finanzierung ergibt, wird noch verschlimmert: die verschiedenen Zweige der "Sozialen Sicherheit" schieben sich die Versicherungsfälle gegenseitig zu anstatt koordiniert ein wirksames Hilfsnetz aufzubauen. So limitieren die Krankenkassen die Pflege zu Hause, sobald diese für sie teurer wird als ihr Kostenanteil in einem Heim. Das offenkundige Interesse von behinderten und chronisch kranken Menschen, im Kreise der Familie zu leben, wird im Namen der Wirtschaftlichkeit, die in Tat und Wahrheit gar nicht gegeben ist, mit Füßen getreten. Wo bleibt da der Respekt vor der Menschenwürde? Wenn sich diese Einstellung auch in den letzten Jahren zu ändern begonnen hat, so sind wir doch noch weit davon entfernt, in den Institutionen nur jene Menschen zu betreuen, bei denen die Versorgung zu Hause nicht möglich ist.
FAssiS, Fachstelle Assistenz Schweiz (nicht mehr im Internet).

Hier veröffentlichen wir einen Diskussionsbeitrag von Karl Stengler, (...) vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der Autor Geschäftsführer eines großen und sehr "staatsnahen" Trägers von Behinderteneinrichtungen ist, (...) außerordentlich bemerkenswert (...)
Der Anspruch ist da, er ist prinzipiell nur begrenzt durch Vokabeln wie "notwendig", "erforderlich" und "angemessen". Gelegentlich und auch gerade in unserer heutigen Zeit werden diese 3 Vokabeln allerdings als Abwehrinstrumente gesetzlicher Ansprüche missverstanden. Es sind schlichte Ausdrücke des gesetzlich normierten Ermessens, dass die jeweilige Verwaltung und hier eben der Sozialhilfeträger nach Recht und Gesetz auszuüben hat. Deren Ausübung ist - wie allen bekannt - rechtlich überprüfbar, und es geschieht nicht selten, dass hier ein Sozialhilfeträger von Gerichten schnell eines anderen, besseren belehrt wird.
Autonom Leben (Behinderten-Initiative Hamburg): Aktuelles (Archiv) (diese Info nicht mehr im Internet).

Merkwürdigerweise haben die Parteien offenbar immer dann besonders gute Ideen, wenn sie in der Opposition sind und damit nicht in der Verlegenheit, ihre Vorstellungen auch umsetzen zu müssen.
Andreas Jürgens: Vortrag Ev. Fachhochschule Rheinland-Westfalen-Lippe, Bochum 17.4.1999

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